28. Winter-Saale-Fahrt sprengt alle Rekorde

Mit Spannung verfolge ich in der letzten Februarwoche 2015 die Wetterberichte. Bleibt es beim Vorfrühling oder wird es noch mal Winter? Und wenn schon kein Winter, dann aber bitte mit Sonne!

Dann ist es soweit. Zur Eröffnung der Fahrt am 27.02.2015 beim Kanuverein SV Schott Jena  steht der Fahrtenleiter Jan F. des ausrichtenden Sportclubs Berlin-Grünau unter einem strahlend blauen Himmel und begrüßt  die 125 Teilnehmer  - 1. Rekord. Damit ist aber auch das oberste Limit der Fahrt erreicht. Mehr Betten sind in der Jugendherberge Bad Sulza, dem Standquartier der Fahrt, nicht vorhanden. Auch der Speiseraum und die Küche sind bis an ihre Grenze ausgeschöpft. Leider mussten in diesem Jahr 20 Sportfreunden abgesagt werden –tja, wer zu spät kommt, den bestraft…

Thüringen liegt in der Mitte von Deutschland und so kommen die Teilnehmer aus Ost und West, aus Nord und Süd. Neben drei Berliner Vereinen sind Sportfreunde von Kanuvereinen aus Brandenburg, Coswig, Darmstadt, Dessau, Göttingen, Guntersblum (bei Mainz), Hannover, Leipzig, Neckarsulm, Potsdam, Werdau und Wesenberg sowie einige Einzelpaddler angereist. Insgesamt sind 20 Kanuvereine vertreten – 2. Rekord.

Am gestrigen Abend hatten wir im Klubraum einen Film von Bernhard B. „Paddeltour Philippinen Palawan“ angesehen. Bernhard war mit zwei Freunden und zwei Faltbooten um die halbe Welt gereist, um zwei philippinische Inseln zu umrunden. Sehr interessant, sehr exotisch, bestimmt auch sehr teuer, aber mir persönlich reicht die Inselwelt der schwedischen Schären und für dieses Wochenende die Thüringer Saale.

Noch sind wir bei der ausführlichen Eröffnungsrede des Fahrtenleiters. Nach einigen organisatorischen Hinweisen und notwendigen Ermahnungen zum Verhalten in einer Jugendherberge, bittet er Carmela W. und Bernd R. nach vorn. Beide haben bisher an allen Winter-Saale-Fahrten teilgenommen – 3. Rekord. Noch länger haben sie gebraucht, um sich zu prüfen und um Ende letzten Jahres endlich zu heiraten. Jan überreichte ihnen unter großem Beifall einige Blech-Klapper-Büchsen, die man eigentlich ans Hochzeitsauto anbindet, die sie nun an ihr Boot binden sollten. Da sie beide noch vor Einbruch der Dunkelheit in Camburg ankamen, haben sie wohl die Büchsen nicht lange hinter sich hergezogen. Danach eröffnete Jan mit dem dreifachen Sportlergruß „Sport Frei!“ der Kanuten aus dem Wassereinzugsgebiet von Elbe und Oder die Fahrt. Und dann ging es endlich gegen halb Elf aufs Wasser, allerdings um nach wenigen Metern bereits das erste Wehr, das Rasenmühlenwehr, auf der rechten Seite zu umtragen. Nach einem Kilometer kommt schon wieder ein Wehr, das Paradieswehr, ein recht hohes steil abfallendes Sturzwehr. Im Rahmen des Blauen Bands der Saale wurde an den meisten Wehren komfortable Ein- und Ausstiege gebaut. So auch hier. Am praktikabelsten sind die Gitterrosttreppen, denn an ihnen kann sich der im Fluss mitgeführte Schlamm nicht so absetzen. Weiter geht die Fahrt durch Jena. Langsam rücken die Häuser in den Hintergrund und wir nähern uns der Kunitzer Hausbrücke. Diese einzigartige überdachte Holzbrücke wurde noch in den letzten Kriegstagen von der Wehrmacht gesprengt. 2012 wurde sie zur Freude der Radfahrer, Wanderer, Fotografen und Paddler wieder aufgebaut. Etwa an gleicher Stelle gab es bis 1970 das Kunitzer Wehr. Im Saaleentwicklungsplan ist der Wiederaufbau eines Wehres mit einem Kraftwerk geplant. Ich appelliere an die Jenaer Kanuvereine, sich hier für einen Kanu-Fisch-Pass stark zu machen.

Alsbald wird die Fließgeschwindigkeit wieder geringer, und wir erreichen nach 6,8 km das Porstendorfer Wehr. Hier fehlt leider eine Ausstiegshilfe zur Alten Saale. Oder führt der offizielle Wasserwanderweg in den linken Arm? Denkbar wäre es, weil man dann am Campingplatz vorbeikommt. Allerdings muss in diesem Arm auch ein weiteres Wehr umtragen werden. Mit flotter Strömung geht es nun 2,8 km saaleabwärts bis zur nächsten Straßenbrücke.

Nach ca. 1,5 Stunden ist bereits Golmsdorf erreicht. Hier ist im Gasthof „Zum Gleistal“ seit 20 Jahren das Mittagessen bestellt. Der Wirt hat uns immer mit hervorragender Thüringer Küche verwöhnt (insbesondere seine Thüringer Klöße), wofür er in diesem Jahr als Dank einen begeisterten Beifall erhielt. 125 Gäste innerhalb kürzester Zeit mit Getränken und Essen zu versorgen ist für solch kleinen Dorfgasthof schon eine beachtliche Leistung.

Die Gemeinde Golmsdorf liegt am Ausgang des Gleistals. Bei Golmsdorf öffnet sich das Gleistal weit zum Saaletal hin, und unweit des Orts mündet die Gleise in die Saale. Westlich von Golmsdorf teilt sich die Saale und bildet die Rabeninsel. Bis 1969 bestand die Bahnstrecke Crossen – Porstendorf, an welcher sich in Golmsdorf eine Haltestelle befand. Am 1. August 1969  wurde der Personenverkehr zwischen Bürgel und Porstendorf eingestellt. Die Einstellung des Güterverkehrs zwischen Eisenberg und Porstendorf erfolgte am 24. November 1969. Einige ältere Kanuten werden sich noch an die Eisenbahnbrücke erinnern, die sich unmittelbar nach dem Zusammenfluss der beiden Saalearme befand.

Frisch gestärkt, auch mal die Beine bewegt, geht es wieder bei angenehmer Strömung 4,9 km weiter zum Dorndorfer Wehr. Bald grüßen von dem linken Muschelkalkfelsenplateau die Dornburger Schlösser. Das Ensemle besteht aus dem Alten Schloss, einem Rokoko-Schloss und einem Renaissance-Schloss. Wer mehr darüber wissen will, sollte einmal bei Wikipedia nachlesen.

Nach der Wende wurde in Dorndorf ein größeres Wasserkraftwerk am Ende eines Kraftwerkkanals errichtet sowie das früher fahrbare Wehr umgebaut und erhöht. Aber man hat auch ein kleines bisschen der Paddler gedacht und am Kanal Ausstiegs- und Einstiegshilfen gebaut. Leider ist der Einstieg arg demoliert und kaum mehr nutzbar. Nachdem man sich hier mehr oder weniger mühsam in sein Boot manövriert hat, geht es gemütlich weiter. Auf den nächsten 5,8 km bis zum Döbritschener Wehr finden wir nur eine sehr geringe Strömung vor. Der Fluss wird breit und breiter, und wir müssen leider kräftig am Paddel ziehen. Aber nach einer weit geschwungenen Linkskurve sehen wir bereits das Wehr. Hier wurde auf der rechten Seite vor Jahren ein Kanu-Fisch-Pass eingebaut. Heute, wo fast kein Wasser übers Wehr fließt, ist die Rutsche problemlos befahrbar.

Bei einem höheren Wasserstand der Saale kommt nämlich im Unterwasser von links eine kräftige Seitenströmung, die einen ans rechte Ufer drückt. Im Sommer ist auf der linken Seite eine Imbissbude für die vielen Paddler geöffnet, die dort auch dankbar angenommen wird.

Und noch etwas fällt bei dieser Etappe auf: Sehr viele Bäume weisen Biberspuren auf. Handelt es sich nun um den Elbebiber oder ist er aus Bayern eingewandert. Da fragt man sich, wie hat der Biber große Städte wie Halle und Weißenfels umgangen und wie meistert er die Wehre. Ein Appell an die sperrwütigen Naturschützer, die Kanuten waren eher da und die Biber haben sich trotz der zahlreichen Paddler angesiedelt.

Bis zum heutigen Ziel sind es nur noch 2,6 km, allerdings fast vollständig im Rückstau des Camburger Wehres. Aber mit letzter Anstrengung ist auch das bald geschafft. Und ab 15.00 Uhr trudeln in den folgenden 3 Stunden alle Paddler in Camburg ein. Die Boote werden auf der großen Wiese relativ sorglos abgelegt. Hier mal ein großes Lob an alle Camburger, bei 28 Winter-Saale-Fahrten gab es keinen Diebstahl oder übermütige „ins-Wasser-Schmeiß-Aktionen“. Hoffen wir, dass es so bleibt. Nun folgt eine komplizierte Autopendelei und bis zum Abendbrot sind alle Teilnehmer wieder in der Jugendherberge in Bad Sulza eingetroffen.

Die fleißigen Herbergsköche haben bereits den Holzkohlegrill angeschmissen und ab 19.00 Uhr gibt es zu Kartoffel- und Nudelsalat Thüringer Rostbrätl und – natürlich - die köstliche Thüringer Bratwurst.

Seit dem 6. Januar 2004 ist Thüringer Rostbratwurst eine geschützte geografische Angabe. Die Thüringer Rostbratwurst hat eine jahrhundertealte Tradition. Die älteste bekannte urkundliche Erwähnung einer Bratwurst in der Region findet sich im Thüringischen Staatsarchiv in einer Abschrift der Propstei-Rechnung des Arnstädter Jungfrauenklosters von 1404.

Nun wird`s spannend. Heiko nimmt die mitgebrachten Biersorten in Empfang und sortiert und sortiert auf einer großen Tafel. Gar nicht so einfach bei der Funzelbeleuchtung. Die Anzahl wird immer größer, kaum eine Flasche ist doppelt vorhanden. Gespannt warten alle auf das Endergebnis. Wird es einen neuen Rekord geben? Bei 125 Teilnehmern könnten theoretisch 250 Biersorten zusammen kommen. Unter großem Beifall wird das Ergebnis verkündet – neuer Rekord, es sind 248 verschiedene Biersorten von Brauereien aus ganz Deutschland.

Die Bierverkostung ist eröffnet. Ich kann aber versichern, sie artet nicht in Trinkerfestspielen aus. Am nächsten Morgen stehen noch viele ungeöffnete Flaschen herum. Allerdings, liebe Sportfreunde, wäre es sehr schön, wenn alle etwas mehr auf Ordnung halten würden. Man muss die geleerten Flaschen nicht irgendwo am Feuer rumliegen lassen. Auch sollte jeder seine Flaschen wieder mit nach Hause nehmen. Ein Dank an Fränki von Stahl Brandenburg, er hat am nächsten Morgen Euch hinterhergeräumt. Wir wollen doch als Sportler bei der Herbergsleitung einen guten Eindruck hinterlassen. Wenn uns die Jugendherberge nicht mehr aufnimmt, ist Schluss mit der Winter-Saale-Fahrt.

Am Sonntagmorgen regnet es leicht. Das hält uns aber nicht davon ab, unsere Fahrzeuge ans Ziel nach Bad Kösen zu bringen und ganz ökologisch mit der Eisenbahn nach Camburg zu fahren. Hier empfängt uns Jan bereits und kann nach drei Jahren endlich wieder Kenterorden verteilen – 3 Stück, das war der 5. Rekord.

Anschließend erfolgt der Start zur zweiten und schönsten Etappe der Fahrt. Der Regen hat inzwischen auch aufgehört. Ohne Hindernisse, immer mit flotter Strömung und dank des niedrigen Wasserstandes auch mit einigen Schwallstrecken geht es in etwa zwei Stunden 17 km nach Bad Kösen. Nach 8 km steht rechtsseitig die erste Kilometertafel -180,0- an der Saale, etwa in Höhe der Ilmmündung. Plötzlich ändert sich die Landschaft. Die Saale mäandriert mehrmals zwischen den Kalksteinfelsen auf der linken und rechten Talseite. Bald grüßen uns Burg Saaleck und die Rudelsburg.

Auf den letzten 2 km müssen wir wieder gegen den Rückstau des Kösener Wehr anpaddeln. Aber gegen 12.00 Uhr ist auch das geschafft. Die ersten steigen an der Fußgängerbrücke aus. Die meisten fahren noch bis zu einem großen Parkplatz mit Wiese am Schiffsanleger.

Eine tolle Wochenendfahrt mit einer Rundumversorgung geht damit zu Ende. Im nächsten Jahr treffen wir uns zur 29. Winter-Saale-Fahrt. Nach Festlegung des Termins (vorletztes oder letztes Februarwochenende) wird unter http://www.scbg.de/index.php/de/kanu/wandern/wintersaale die Ausschreibung veröffentlicht. Und denkt daran, rechtzeitiges Melden sichert die Plätze.

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