Wann waren wir das letzte Mal in Schwedt? Ich musste meine Fahrtenbücher ganz weit zurückblättern. Es war Pfingsten 2010. Damals haben wir noch bei Rotation Schwedt gezeltet.
Die Schwedter Wassersportvereine haben sich mehrmals umbenannt und verschiedentlich fusioniert. Heute gibt es nur noch einen Verein – Wassersport PCK Schwedt. Und da wir dort schon mal untergekommen waren, habe ich nichtsahnend den Verein angeschrieben.
Daraufhin wurde mir freundlich mitgeteilt, dass sie seit vorigem Jahr keine Kanustation mehr seien, da in ihrer unmittelbaren Nähe sich ein Campingplatz befindet. Aber ausnahmsweise würden sie uns noch einmal aufnehmen. Das war mir auf jeden lieber, als uns auf einem Campingplatz zwischen all die Wohnmobile zu quetschen.
Am Mittwoch vor Himmelfahrt klappte die Anfahrt einigermaßen staufrei. Der Platz parallel zu den Bootshallen war auch akzeptabel, wir hatten sogar eine überdachte Fläche gegenüber unseren Stellplätzen, was uns beim ersten Regen sehr entgegenkam. Allerdings hatten wir keine Küche und der einzige Wasserhahn bescherte uns jedes Mal nasse Hosen und Schuhe. Dafür war an jedem Stellplatz noch ein Stromanschluss für unsere Kühlboxen. Aber wer noch Wasserpumpen und Plumpsklo kennt, für den war der Komfort ausreichend.
An Pfingstsonnabend führt unsere erste Tour über die Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße nach Criewen.
Gruppenfoto vor dem ersten Start, es fehlen der Fotograf sowie Petra und Lutz, die erst am Abend anreisten
Der Wasserweg ist eine Bundeswasserstraße für 1000 t-Schiffe und demzufolge nicht besonders spektakulär. Die Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße ist nach Osten, zur Oder hin, vollständig, nach Westen zu großen Teilen eingedeicht. Zwischen Kanal und Oder befinden sich Polder, eine in Mitteleuropa einzigartige Landschaft nach niederländischem Vorbild, die im Spätherbst und Winter geflutet werden. 90 Prozent dieses Gebietes gehören zum Nationalpark Unteres Odertal.
Der Hafen Schwedt ist der wichtigste am Kanal. Neben Baustoffen werden hier Industriegüter umgeschlagen. Schwedt ist Standort zweier Papierfabriken und einer Erdölraffinerie.
Zu Himmelfahrt auf der Hohensaaten-Friedrichthaler Wasserstraße
Der gut asphaltierte Weg auf dem Deich ist heute von zahlreichen Radfahrern bevölkert, größere Männergruppen auf Vatertagsausflügen, aber auch Familien mit ihren Kindern.
Für „Zollgebühren“ an Brücken und Kirchtürmen ist auch teilweise gesorgt
Die gesamte Strecke ist fast strömungslos. Das Niveau auf der gesamten Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße beträgt nur etwa 40 cm über NN.
Nach 7 km haben wir Criewen erreicht, das reicht aber auch für Himmelfahrt. Schon von weitem hören wir laute Musik. Dem Fahrtenleiter fällt ein Stein vom Herzen. Beim letzten Ausflug nach Criewen hatte die Gaststätte „Zur Linde“ einen großen Grill zur Versorgung der vielen Radfahrer vor seinem Haus aufgebaut. Inzwischen hatte der wohl geschäftstüchtige Kneipier in seinem Garten eine kleine Bühne, einen Getränkeausschank und eine Grillstation für die vielen Gäste errichtet.
Auf der Bühne rockte eine kleine "Ein-Mann-Livekapelle“, an den Versorgungsständen drängelten die hungrigen und durstigen Radfahrer, Treckerfahrer und Paddler.
Tanzmäuse
Nach dem Mittagsimbiss bummeln wir noch etwas durch das Dorf. Als erstes landen wir in Anitas Eisstube und danach besuchen wir das interessante Besucherzentrum des Nationalparks Unteres Odertal. Der ehemalige Gutshof Criewen beherbergt das Nationalparkzentrum des einzigen Auennationalparks Deutschlands. Die Ausstellung informiert auf anschauliche Weise über die Natur im unteren Odertal. Die Ausstellung lädt zu einem spannenden Exkurs in die Landschaft und deren Geschichte ein. Jeder Besucher kann aktiv werden und auf einer Entdeckungstour durch 13 Ausstellungsbereiche den Geheimnissen der Natur näher kommen.
Nr. 14 Gaststätte „Zur Linde“, Nr. 13 Anitas Eisstube, Nr. 4 Besucherzentrum des Nationalparks Unteres Odertal, Nr. 1 Schloss Criewen, Nr. 2 Kirche im Lennè-Park
Beim Weg zur Kirche kommen wir am Schloss Criewen mit seiner bewegten Geschichte vorbei. Im Jahre 1816 erwarb Otto von Arnim-Gerswalde das Gut, es wurde der Stammsitz des neuen Familienzweigs von Arnim-Criewen. Er wandelte die Gutsanlage mit dem gesamten Ort um. So wurde der Ort, unter Protest der Einwohner, um etwa 500 Meter nach Nordosten verlegt und das Herrenhaus von 1818 bis 1823 komplett umgebaut. 1877 wurde Bernd von Arnim-Criewen Gutsherr. Er gestaltet das Herrenhaus um 1900 um. Ab 1910 wurde das Herrenhaus weiter umgebaut, unter anderem wurde aus dem Walmdach ein Mansarddach. Namhafte Eigentümer waren nach 1930 damals der Politiker Bernd von Arnim, dann sein Sohn, der Major Achim von Arnim, verheiratet mit Annabel von Stoesser, die beide nach Kriegsende 1945 in Criewen sich das Leben nahmen.
Schloss Criewen
Nach dem Krieg wurde das Schloss von Flüchtlingen belegt. Ab 1954 befand sich hier eine Berufsschule für Landwirtschaft mit Internat. Ab 1990 wurde das Herrenhaus als Landschulheim genutzt. Nach der Sanierung von 1997 bis 2002 nutzte die Brandenburgische Akademie Schloss Criewen das Herrenhaus. Weiterhin befinden sich Institutionen des Naturschutzes in dem Haus.
Die heutige Dorfkirche geht auf einen Bau aus dem 13. oder 14. Jahrhundert zurück. Diese Kirche brannte im Dreißigjährigen Krieg aus und wurde von 1682 bis 1692 wieder aufgebaut. Der Fachwerkturm und der Stufengiebel stammen von Erweiterungen aus 1830 bis 1833.
Dorfkirche Criewen
Nach dem Himmelfahrtsgottesdienst werden die Besucher vor der Kirche mit Kaffee und Kuchen verwöhnt. Dafür hat man einige Tische und Bänke bereitgestellt.
Auch wir kosten vom selbst gebackenen Kuchen
Nach über zwei Stunden Mittagspause im interessanten Ort Criewen machen wir uns auf die Rückfahrt, sind ja immerhin noch mal 7 km.
Ein- und Aussatzstelle in Criewen bei km 114
Rückfahrt auf der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße
Gemütliche Abendrunde, Petra und Lutz inzwischen eingetroffen
Am Brückentag paddeln wir nach Gartz. Dazu bringen wir am Morgen unsere Fahrzeuge dorthin, suchen und finden auch eine schöne Aussatzstelle mit einigen Stegen am unteren Ortsende.
Gegen halb elf steigen wir in die Boote und fahren heute flussabwärts in Richtung Stettin.
Einstieg am Bootssteg vom Verein Wassersport PCK Schwedt
Der Kanal ist am Westufer etwas ins Land eingesenkt und am Ostufer zu den Poldern von ca. 6 m hohen Deichen gesäumt, so dass der Blick aufs nähere Umland beidseitig verwehrt ist. Dafür gibt die Tieflage mitsamt dem Westhang Windschutz. Nach gut 2 km kommen wir am Abzweig der Schwedter Querfahrt vorbei. Würden wir hier aufwärts schleusen kämen wir nach 3 km zur Oder.
Nach weiteren 500 m befindet sich am linken Ufer der Schwedter Hafen mit dem Papier- und Kartonwerken Schwedt. In den Hafen mündet auch die Welse, die mit einigen Umtragen paddelbar ist.
Der erste Ort, an dem wir heute vorbeikommen, ist Gatow. Er ist fast der letzte Ort, in dem noch Tabak angebaut wird. Der Tabakanbau, um 1690 von aus Frankreich geflohenen Hugenotten eingeführt, prägte 300 Jahre die Wirtschaft der Uckermark und brach erst nach der deutschen Vereinigung zusammen.
Die Ufer sind mit einer üblen scharfkantigen Steinschüttung befestigt, die ein Anlegen fast unmöglich machen. Aber nach 10 km finden wir linksseitig einen wackligen Schwimmsteg und dahinter eine große Wiese mit ein paar Bänken.
Landeinwärts sehen wir ein paar Bungalows und als Ute vom Erkundungsgang zurückkommt, lädt sie uns ebenfalls zu einem Rundgang ein. Es handelt sich um die Wildnisschule und das Nationalparklabor Teerofenbrücke. Die sehr engagierte und freundliche Chefin der Siedlung hat uns gleich herumgeführt und mit freundlichen Worten alles gezeigt. Es ist so ähnlich wie die Bungalowsiedlung unserer Pilzsuchfahrten in Wesenberg. Unsere Wanderwartin hat sich mit einigen Flyern für evtl. spätere Buchungen eingedeckt.
Überdachter Rastplatz der Wildnisschule Teerofenbrücke
Nach der langen Mittagspause mit ausführlicher Besichtigung quälen wir uns mit gegenseitiger Hilfe wieder über den wackligen Schwimmsteg in die Boote, sind es doch bis Gartz nochmal 10 km.
Einsetzen an der Wildnisschule Teerofen
Kurz nach dem Start wird der Kanal sehr breit, er nennt sich hier Holzgrube. Nach vier Kilometern endet die HoFriWa, wie sie auch genannt wird. Jetzt kommt von rechts die Westoder, die bei km 704 von der Oder abzweigt. Wir haben jetzt auch eine neue Kilometrierung.
Auf der breiten Westoder
Gegen 15.00 Uhr und 20 km Paddelstrecke erreichen wir die Aussatzstelle in Gartz. Hier befinden sich schöne Stege und eine schräge Rampe zur Straße.
Verladen der Boote
Oh wie praktisch, 100 m weiter befindet sich eine Eisdiele
Am Sonnabend hat keiner Lust über 30 km auf der Oder zu paddeln, also entscheidet der Fahrtenleiter sich für einen Start in Stolpe und 16 km auf der HoFriWa.
Nach dem Frühstück starten wir mit 3 PKWs nach Stolpe und finden neben dem Wasserwanderrastplatz mit Einsatzstelle auch einen Parkplatz.
„Ortsschild“ von Stolpe
Die idyllische Nationalparkgemeinde Stolpe liegt im Nationalpark Unteres Odertal direkt an der Hohensaaten-Friedrichthaler Wasserstraße. Eine touristische Besonderheit stellt das Wahrzeichen der Gemeinde dar – der Stolper Turm. Der im Volksmund auch liebevoll als „Grützpott“ bezeichnet wird, wurde Ende des 12. Jahrhundert erbaut, durch Sanierungsarbeiten 2008 wieder begehbar gemacht.
Der „Grützpott“ ist die Ruine einer Höhenburg auf einer Anhöhe über Stolpe
Natürlich wollen wir zum Stolper Turm wandern und wählen den bequemen 700 m langen Weg. Als erstes kommen wir am Stolper Herrenhaus vorbei.
Herrenhaus der märkischen Linie des brandenburgischen Uradelsgeschlechts der von Buch
Im Ort befindet sich neben dem Park das Herrenhaus der Familie von Buch aus dem Jahr 1545, das jedoch 1917 abbrannte und 1921/22 in vereinfachter Form wieder aufgebaut wurde. Heute wird das Herrenhaus für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen genutzt.
Der bequeme Weg zum Turm windet sich in einer Spirale um die Endmoräne bis wir plötzlich vor ihm stehen. Der Turm ist, mit seinem außergewöhnlichen Außendurchmesser von 18 Meter, als wahrscheinlich dickste Turmburg in Deutschland bekannt und bietet nicht nur als Aussichtsturm einen atemberaubenden Blick über die Nationalparkregion, sondern dem Besucher auch einen Einblick in die historische und architektonische regionale Entstehungsgeschichte. Über eine Wendeltreppe, die außen am Turm angebracht wurde, können Besucher in das Turmobergeschoss gelangen.
Wir blicken ins Untere Odertal
Leider öffnen die musealen Räume, die besichtigt werden können, erst 13.00 Uhr und so lange wollten wir nicht warten. Von der Aussichtsplattform des Turms hätte man einen schönen Ausblick über den Nationalpark Unteres Odertal, aber auch von den Bänken am Rand der Bergkuppe kann man diesen Blick genießen.
Blick ins Untere Odertal, hier die Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße
Für den Abstieg wählen wir den kürzesten aber auch steilsten Weg, der uns durch den Friedhof des Ortes führt. Am Wasserwanderrastplatz, wo man auch zelten kann (aber ohne Trinkwasseranschluss), setzen wir über die Rampe ein.
Gut gedacht, aber zum Einsetzen wird Hilfe benötigt
Nachdem alle Boote einzeln zu Wasser gelassen sind, paddeln wir an dem kleinen Ort Stolpe vorbei und haben noch einmal einen hübschen Blick zum Grützpott.
Da oben waren wir
Auf der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße
Nach 8 km haben wir Criewen erreicht und legen an gleicher Stelle wie an Himmelfahrt an. Die „Linde“ hat heute eine geschlossene Gesellschaft und so müssen wir unseren mitgebrachten Imbiss verzehren. Nach der einstündigen Mittagspause paddeln wir die bereits bekannte Strecke nach Schwedt.
Vor Meyenburg
Nachmittags gegen halb Fünf sind wir wieder an unserem Standquartier angekommen und werfen noch einen Blick auf das im Hafen verankerte nostalgische Boot.
Während am Sonntag nach dem Frühstück alle nach Hause fahren, dreht der Fahrtenleiter noch eine Runde durch Schwedt.
Rekonstruierter Eingang zum Schlosspark
Gusseisernes Modell vom Schwedter Schloss
Kopien von sieben Sandsteinskulpturen, die antike Gottheiten und Musen darstellen, erinnern an den historischen Charakter des Parks. Einst waren es 26 Figuren aus der Werkstatt des in Potsdam tätigen königlichen Hofbildhauers Carl Philipp Glume.
Pomona und Sabine sowie Wolfgang und Adonis
Zu den Sehenswürdigkeiten im Park gehört eine Sonnenuhr aus dem Jahr 1740, die fast auf die Minute genau geht. Die polyedrische Sonnenuhr mit der Jahreszahl 1740 und den kunstvoll eingearbeiteten Initialen FW verweist auf ihren Auftraggeber: Friedrich Wilhelm (1700–1771), Markgraf von Brandenburg-Schwedt. Jede Fläche der Sonnenuhr kann zum Anzeigen einer anderen Uhrzeit verwendet werden.
Wolfgang versucht die polyedrischen Geheimnisse zu entschlüsseln
Anschließend schlendern wir zur Vierradener Straße. Sie ist eine der ältesten Straßen der Stadt. Bereits im frühen Mittelalter wird hier eine Herberge erwähnt. Bis 1928 führte der Weg nach Stettin durch die Vierradener Straße, an deren Ende sich ein Stadttor und die Stadtwaage befunden haben. In den 80er Jahren wurde sie zur Fußgängerzone umgestaltet.
Vierradener Straße
Fast an jedem dritten Haus ist eine Erläuterungstafel mit der Geschichte des Hauses und deren Besitzern angebracht.
Am Vierradener Platz, zwischen Amtsgericht und der katholischen Kirche St. Mariä Himmelfahrt befindet sich der Tabakbrunnen.
Tabakbrunnen am Vierradener Platz
Vor 300 Jahren brachten Hugenotten den Tabakanbau in die östliche Uckermark. In der Schwedter Umgebung besonders im Raum Vierraden wurde noch bis 1990 Tabak angebaut. Zeugnisse des Tabakanbaus sind noch einige vorhandene Tabakscheunen in den Orten und das Tabakmuseum. Der Tabakbrunnen am Vierradener Platz ist Symbol für diese Zeit, die auch einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Landwirtschaft brachte.
Aber welche Bedeutung hat der kleine Teufel, der an einem der Quader sitzt? Er bezieht sich auf die Sage von der Wette zwischen dem Bauern und dem Teufel, die der Bauer gewinnt und damit auch das braune Kraut auf dem Acker. Nun lehnt der Teufel an einer der würfelförmigen Sitzgelegenheiten und raucht schmollend seine Pfeife.
Und wer von den Rauchern neugierig auf die ganze Geschichte ist, der möge hier nachlesen:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Jahn,+Ulrich/M%C3%A4rchen+und+Sagen/Volksm%C3%A4rchen+aus+Pommern+und+R%C3%BCgen/51.+Der+Tabak
Wir begegneten noch viel mehr figürlicher Kunst und Kunst am Bau, die aber jetzt meinen Bericht sprengen würde. In einer Seitenstraße haben wir geparkt und treten am späten Vormittag auch unsere Heimreise an.